Wie alles begann

Das Projekt «Quartierstrom» geht auf eine Initiative von Gian Carle und Nick Beglinger zurück. Im Interview erläutern sie die Entstehungsgeschichte des Projekts.

Wie seid ihr auf die Idee für das Blockchain-Projekt gekommen?

Gian Carle: Bis ein Vertrag zur Lieferung von erneuerbarer Energie in meiner früheren Funktion als Leiter Handel ausformuliert und unterschrieben war, dauerte es bis zu 6 Monate. Mit der zunehmenden dezentralen Produktion von erneuerbarer Energie werden mehr und mehr Private zu Energieproduzenten, zum Beispiel mit der eigenen Solaranlage auf dem Dach und der Batterie im Keller. Gehandelt wird die Energie aber trotzdem immer noch zentral über den Energieversorger. Wir sammelten daher Ideen, wie man den Stromhandel dezentral und autonom gestalten könnte. Uns war schnell klar, dass dieser Stromaustausch unter Haushalten ein hohes Potential hat. 

Nick Beglinger

Nick Beglinger: Schon bald haben ganz viele Leute Solar-Panels auf dem Dach und an den Fassaden, wie auch eine Batterie im Keller. Und die Kosten für Solar-Panels und Batterien werden stark fallen. Der Trend zu dezentraler erneuerbarer Versorgung wird rasch fortschreiten. Durch die jahrelange Erfahrung im Bereich der Regulierung der Schweizer Energiewirtschaft waren wir uns über die zugrundeliegenden Themen im Klaren (z. B. Rahmenbedingungen zur Nutzung des Stromnetzes).

Warum bietet sich die Blockchain an?

Nick Beglinger: Meine erste Firma war in der Software-Entwicklung tätig, also hatte ich seit jeher ein Interesse für IT. Mit der Stiftung Cleantech21 fokussieren wir auf zwei Projekte, eines hat mit der Schnittstelle zwischen Klima und den drei disruptiven Technologien Internet of Things, Distributed Ledger (Blockchain) und künstliche Intelligenz zu tun. An der COP22 Klimakonferenz haben wir das Thema Distributed-Ledger-Technologie erstmal formell mit der UN diskutiert und Ende 2016 dazu erste Stakeholder-Workshops durchgeführt. Bei dieser Analyse hat sich der Energiebereich schnell als ein interessanter Bereich für Blockchain-Anwendungen entpuppt.

Gian Carle

Gian Carle: Schliessen sich immer mehr Prosumenten zusammen, um den Strom auszutauschen, muss ein Handelssystem installiert werden, um den Strom tauschen zu können. Die Blockchain-Technologie bot sich schnell als mögliches Hilfsmittel an, um diesen lokalen Strom ohne Intermediäre kostengünstig, schnell und vollautomatisch in einem Quartier oder in einer Gemeinde auszutauschen. Der Schutz der Privatsphäre ist in einem solchen System bei Datenaustausch von Produktion und Konsum zentral.

Am Projekt sind ja noch viele andere Partner beteiligt.

Nick Beglinger: Ja, wir waren uns bewusst, dass wir für das Projekt starke Partner brauchen, auch weil international ähnliche Projekte am Entstehen sind. Erste Sondierungsgespräche haben ergeben, dass auch beim Bundesamt für Energie (BFE), Interesse dazu besteht. Wir haben absichtlich diverse Vertreter an unsere Stakeholder-Workshops Ende 2016 eingeladen und kamen so gut weiter.

Gian Carle: Ich erfuhr, dass das «Bits to energy Lab» der ETH Zürich an ähnlichen Themen arbeitet und nahm daher Kontakt mit Sandro Schopfer und Verena Tiefenbeck auf. Nach dem ersten Treffen im Januar 2017 waren wir uns bald einig, dass wir ein gemeinsames Projekt lancieren möchten. Mit Sandro Schopfer zusammen ist die Idee zu «Quartierstrom» schlussendlich als Pilotprojekt ausformuliert worden.

War es schwierig, einen Energieversorger für die Idee zu gewinnen?

Nick Beglinger: Zahlreiche grössere Energieversorger zeigten kein Interesse, da für sie die Technologie noch zu neu ist und es zu einer Kanalisierung führt.

Gian Carle: Bei einer Sitzung in der Region Sarganserland-Werdenberg im Mai 2017sprach ich Christian Dürr vom EW Walenstadt an. Glücklicherweise sagte er schnell zu, mit einem Quartier in Walenstadt als Pilotregion teilzunehmen. Es freut uns ausserordentlich, dass wir eine Gruppe mit so viel Know-how zusammenstellen konnten und nun im Dezember 2018 mit der konkreten Umsetzung vor Ort starten können.