Quartierstrom 1.0

Erkenntnisse aus dem lokalen Strommarkt in Walenstadt basierend auf Blockchain

Das Projekt Quartierstrom, das vom Bundesamt für Energie als Leuchtturmprojekt unterstützt wurde, wurde im Juli 2020 mit der Publikation des Schlussberichts abgeschlossen. Die wichtigsten Ergebnisse aus dem Feldtest des lokalen Strommarkts basierend auf Blockchain sind im folgenden zusammengefasst.

Steigerung Eigenverbrauch und Eigenversorgung
Ein Ziel des Leuchtturmprojekts war es, möglichst viel lokal produzierten Solarstrom vor Ort zu verbrauchen. Dies ist gelungen, wie die Resultate des einjährigen Feldversuchs zeigen: Dank des lokalen Strommarkts stieg der Eigenverbrauch der Gemeinschaft als Ganzes auf rund 60 %, was fast einer Verdoppelung entspricht. Zu 33 % versorgten sich die 37 Haushalte selbst mit Solarstrom, ohne Zutun vom lokalen Energieversorger.

Zu 33 % versorgte sich die Quartierstromgemeinschaft mit lokalem Solarstrom.


Dank Quartierstrom hat sich der Eigenverbrauch der Gemeinschaft als Ganzes fast verdoppelt und stieg auf rund 60 %.

Technische Machbarkeit demonstriert
Mit dem Leuchtturmprojekt wurde aufgezeigt, dass ein lokaler Strommarkt basierend auf Blockchain machbar ist. Die Blockchain lief stabil und funktionierte zuverlässig. Weniger zuverlässig funktionierte die Hardware, was immer wieder zu Ausfällen einzelner Knoten führte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die eingesetzten Raspberry PIs eine fehleranfälligen SD-Karten-Speicher haben. Diese wurden eingesetzt, weil keine Smart Meter mit Anwendungsprozessor auf dem Markt erhältlich waren.

Geringer Stromverbrauch, aber begrenzte Skalierbarkeit
Die Kapazität der Blockchain-Software ist limitiert. 27 Prosumenten fungierten als Validierungsknoten, die in der Blockchain die Transaktionen freigaben. Sie bilden die kritische Grösse bei der Skalierung. Wie Simulationen ergaben, würde das System etwa fünf Produktionsanlagen mehr ertragen. Die Anzahl Konsumenten könnte hingegen gesteigert werden. Das System würde mit bis zu 600 reinen Konsumenten oder anderen Klienten wie Batterien oder flexible Lasten stabil laufen. Eine Skalierung wäre möglich, indem man mehrere Blockchains für unterschiedliche Quartiere aufbaut. Die kleinen Computer, die als Smart Meter und Blockchain-Knoten dienen, verbrauchten während der gesamten Projektdauer rund 3300 Kilowattstunden Energie. Gemessen am Volumen des im lokalen Markt gehandelten Strom lag der Verbrauch bei rund 4 %.

Sehr engagierte Nutzerinnen und Nutzer
Im Rahmen des Projekts wurde auch das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer untersucht: Wie sich zeigte, waren die teilnehmenden Haushalte sehr aktiv und nahmen den Strommarkt als grün, lokal und fair wahr.
Zu Beginn nutzten die Teilnehmenden die Möglichkeit zur Preisfestlegung häufig. Sie setzten aber ihr Preislimit für den Kauf des lokalen Solarstroms kaum höher als für den normalen Netzstrom. Dies obwohl viele in den vorgängigen Befragungen ihre Bereitschaft erklärt hatten, mehr für lokalen Solarstrom zu bezahlen. Dass die Beteiligten ihre Preise selbst festlegen können, erwies sich nicht als entscheidend. In Befragungen äusserten etwas mehr als die Hälfte der Haushalte, dass sie eine automatische Preisbildung bevorzugen. Überraschend war, dass Teilnehmende, die das Portal häufig nutzten, eher zu automatischer Preisbildung tendierten und umgekehrt.
Sehr geschätzt wurde von den Nutzerinnen und Nutzer, dass sie auf dem Portal das Marktgeschehen sowie Stromproduktion und -verbrauch in Echtzeit beobachten konnten. Die förderte das Verständnis für den Energiemarkt und führte zu einer Sensibilisierung. Viele Teilnehmende äusserten, dass sie elektrische Geräte nun vermehrt dann einzusetzen, wenn draussen die Sonne scheint.

Schlussbericht zum Leuchtturmprojekt Quartierstrom

Der Schlussbericht des Leuchtturmprojekts Quartierstrom ist Ende Juli 2020 erschienen. Der Bericht kann auf ARAMIS, der Forschungsdatenbank des Bundes, bezogen werden:
Quartierstrom, Community energy network with prosumer focus, Final report, Bundesamt für Energie, 28 July 2020

Wissenschaftliche Publikationen

Die Publikation «User behavior in a real-world peer-to-peer electricity market» zeigt die Ergebnisse der Verhaltensforschung im Rahmen von Quartierstrom und liefert damit empirische Erkenntnisse über das Nutzerverhalten von Haushalten und ihre zukünftige Rolle in dezentralisierten Energieszenarien.
L. Ableitner, V. Tiefenbeck, A. Meeuw, A. Wörner, E. Fleisch, F. Wortmann: User behavior in a real-world peer-to-peer electricity market, Applied Energy 270 (2020) 1150

Der Artikel «Implementing a blockchain-based local energy market: Insights on communication and scalability» beschreibt, wie das Blockchain-geführten Mikronetzes in Walenstadt implementiert wurde, welchen Einfluss Einschränkungen bei Hardware und Kommunikationsinfrastruktur auf ein solches Mikronetz haben und wie dadurch die Skalierbarkeit beeinflusst wird.
A. Meeuw, S. Schopfer, A. Wörner, V. Tiefenbeck, L. Ableitner, E. Fleisch, F. Wortmann: Implementing a blockchain-based local energy market: Insights on communication and scalability, Computer Communikcations 160 (2020) 158-171

Im White Paper «Quartierstrom – Implementation of a real world prosumer centric local energy market in Walenstadt, Switzerland» geben die Projektpartner von der ETH Zürich und der Universität St. Gallen einen vertieften Überblick über das Projekt.

Die Publikation Trading solar energy within the neighborhood: field implementation of a blockchain-based electricity market, beschreibt die Ergebnisse einer umfassenden Literaturstudie, in der 11 akademische Forschungsprojekte und 5 Projekte aus der Industrie, die sich mit Blockchain im Energiesektor befassen. Zudem wird das Design des Blockchain-basierten Energiemarkts in Walenstadt, der zugrunde liegenden Marktmechanismus und die technischen Spezifikationen beschrieben: Wörner, A., Meeuw, A., Ableitner, L. et al., Trading solar energy within the neighborhood: field implementation of a blockchain-based electricity market, Energy Inform (2019) 2(Suppl 1): 11.
https://doi.org/10.1186/s42162-019-0092-0

Wie wird die Privatsphäre in einem Peer-to-Peer-Energiemarkt geschützt? Herausforderungen und Lösungen werden im Konzeptpapier «Privacy-Preserving P2P Energy Market on the Blockchain» diskutiert.

Das Projekt „Quartierstrom“ (2018-2020) wurde im Rahmen des Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprogramms vom Bundesamt für Energie BFE unterstützt.